Das verborgene Licht
Buchbesprechung von Monique Leferink op Reinink
Dieses Buch ist eine Sammlung von hundert Koans und anderen Erzählungen darüber, wie buddhistische Frauen Erkenntnis erlangten oder dieser Erkenntnis Ausdruck verliehen. Die alte chinesische Zen-Tradition kennt eine große Anzahl dieser Art Sammlungen, die jedoch überwiegend von Männern handeln. Die Erzählungen in diesem Buch stammen aus einem Zeitraum von fünfundzwanzig Jahrhunderten. Das ist einzigartig!
Es verleiht Frauen eine Stimme: Nonnen, Laien, alten Frauen, die am Wegesrand Tee verkaufen, Lehrerinnen, Jugendlichen, Köchinnen, Einsiedlerinnen, Kurtisanen, Großmüttern und zeitgenössischen weiblichen Praktizierenden.
Dieses Buch wird noch inspirierender dadurch, dass allen Erzählungen Betrachtungen von zeitgenössischen Dharma-Lehrerinnen aus verschiedenen Traditionen und Ländern folgen. Jede diese Betrachtungen nimmt das als Ausgangspunkt, was das Koan mit dem eigenen Leben und der spirituellen Praxis dieser Lehrerin verband. Herausgekommen ist ein Schatz an tiefen Lebenserfahrungen und bunt gemischten Kontemplationen, der beim Aufschlagen des Buches jedes Mal erneut zu einer Quelle der Inspiration und des Lernens wird. Siehe zum Beispiel auch den Beitrag von Jiun Roshi zu dem Koan Anoja ist auf der Suche nach dem Selbst, der in der letzten Ausgabe von ZenLeven erschienen ist.
Jede der Betrachtungen wird mit einer oder mehreren Fragen abgeschlossen, die der Leser oder die Leserin verwenden kann, um den Text im eigenen Leben tiefer schwingen zu lassen. Einige Beispiele:
Hast du jemals den Weisen übersehen, der scheinbar einfach gekleidet direkt vor dir stand? (bei: Die alte Frau vom Berg Wutai)
Wie akzeptierst du das Inakzeptable? (bei: Maylie Scott trifft die Einsamkeit)
Wenn du alle Versuche, anderen zu gefallen, aufgibst, was ist dann dein tatsächlicher Fall? (bei: Asan klatscht in beide Hände)

Tibetische Nonne (Foto Olivier Adam)
Ganz besonders wurde ich von Koan, Reflexion und Fragen bei Kongshis Badehaus (China, 12. Jahrhundert) berührt. Kongshi hatte schon früh in ihrem Leben den großen Wunsch, Nonne zu werden. Die Umstände ihrer Zeit ließen ihr aber keine einzige Wahl. Erst musste sie ihrem Ehemann dienen, danach ihren Eltern und schlussendlich ihrem Bruder. Als Laie widmete sie sich ihr Leben lang der Meditation und des Studiums und wurde Daoren, ein Mensch des Weges, genannt. Gerade durch alle Hindernisse, mit denen Kongshi in ihrem Leben konfrontiert wurde, konnte sie erkennen, worauf es einzig und allein ankommt: auf unser eigenes Handeln. Erst als alle gestorben waren, konnte sie sich ihren eigenen Wunsch erfüllen.
Kongshi wurde zutiefst von einigen Zeilen aus der Kontemplation der Dharmadhatu berührt: Eins schließt alles ein und geht in alles ein; alles schließt eins ein und geht in eines ein, eins schließt eins ein und geht in einem ein; alles schließt alles ein und geht in allem ein.
Sie wurde sich dessen bewusst, dass alles in der Welt unendlich vielschichtig und miteinander verwoben ist.
Als sie schon ziemlich alt, aber noch keine Nonne war, eröffnete sie ein öffentliches Badehaus. An der Tür des Badehauses hängte sie ein Gedicht auf, dessen letzte Zeilen lauteten:
Auch wenn du den Unterschied zwischen Wasser und Schmutz plötzlich wegwischst,
auch dann musst du das alles doch abwaschen, wenn du dieses Badehaus betrittst.
Erst ganz am Ende ihres Lebens wurde sie zur Nonne geweiht.
Die anschließende Betrachtung von Juen Ryushin Boissevain, Zen-Meisterin in der Tradition von Shunryu Suzuki und Ärztin in einem Hospiz, beschreibt die strahlenden Augen einer Frau während der letzten Tage ihres Lebens. Sie tut weiterhin, was sie tun kann für Ehemann, Kinder, Freunde und Nachbarskinder, tröstet die Besucher und spricht über die vielen glücklichen Erinnerungen, die sie hat. Letztendlich kann sie sich dem einzigen, was ihr noch zu tun bleibt, hingeben: los zu lassen.
Juen Boissevain weist darauf hin, dass wir, wo wir auch sind, immer eine Wahl haben: Entweder wir identifizieren uns mit unserem Leiden oder wir öffnen uns weiterhin dem Moment.
Was war Wasser, was war Staub in Kongshis Leben? Worin nahm sie ein Bad? Was verhinderte die Erfüllung ihres größten Wunsches?
Dieses Buch habe ich gelesen, immer und immer wieder, ich bin dem begegnet, worin ich selbst feststeckte, manchmal kam ich auch zu einer Erkenntnis, aber was diese Texte vor allem bieten, das ist Halt beim Üben im täglichen Leben.
Weitere Informationen gibt es auf der Website von Asoka.
(Aus dem Niederländischen übersetzt von Sandra Möller)
Quelle: Het Verborgen Licht, ZenLeven Herbst 2019