
Von links nach rechts: Kyogen, Jifu, Jiun Roshi, Kido, Daido
Vier neue Zen-Lehrer/innen
Der fünfte Mai ist nicht nur der Tag der Befreiung, sondern auch der Tag, an dem wir uns der Tradition bewusst sind, der wir angehören, und an dem wir in Dankbarkeit an die vielen Lehrer, Patriarchen und Matriarchen denken, die uns vorausgegangen sind. Es ist auch der Tag, an dem Jiun Roshi neue Lehrer ordiniert. Dieses Jahr sind es vier. Kyogen, Kido und Daido, die seit Jahren als Unsui auf Noorder Poort trainieren, schlossen an diesem Tag diesen Teil ihrer Ausbildung mit der Ernennung zum Zen-Lehrer ab. Und auch Angela Postulka aus Deutschland wurde zur Zen-Lehrerin ernannt — sie hatte zuvor an der deutschsprachigen Zenlehrerausbildung teilgenommen.
An der Zeremonie nahmen ungefähr 40 Gäste teil.

Zu Beginn der Zeremonie wendet sich Jiun Roshi an die Anwesenden
Während der Zeremonie wird jeder der Aspiranten gebeten, seine Einsicht in einer kurzen Rede darzustellen. Hier findet Ihr einen kleinen Ausschnitt aus jeder der vier Reden.
Aus Kyogens Einsicht
Wenn es einen solchen Übungsweg gibt, wann beginnst du ihn, und geht man diesen Weg allein oder gehen wir ihn alle?
Vielleicht beginnt er in dem Moment, in dem du diese Schmetterlinge im Bauch spürst, während einer großen Trauer, oder in dem Gefühl, das dich einfach überkommt. Oder in dem Moment, in dem etwas Tiefgreifendes passiert: der Tod eines geliebten Menschen, eine unerwartete Krankheit oder das Leid, das uns täglich in den Medien begegnet. Die entwaffnende Natur eines Babys, oder das gigantische Universum mit Sternen, die größer sind als unser Sonnensystem. Für mich sind solche Dinge oft von einem intensiven Gefühl des Staunens, der Freude oder der demütigen Stille begleitet, die mich zum Nachdenken bringen: Wie ist das alles möglich, woher kommt es, hat es ein Ende, habe ich eine Rolle in all dem …
Für mich ist diese Ordination das Ergebnis des Erkennens und Erforschens dieses anregenden, seltsamen Staunens, das ich überhaupt nicht erklären will. Manchmal ergibt sich daraus ein Raum, in dem Kyogen nicht mehr existiert, Zen nicht mehr existiert, es kein Innen und kein Außen gibt, alles unermesslich groß und unermesslich klein ist.
Aus Kidos Einsicht
Vor ein paar Jahren ertappte ich mich an einem sehr arbeitsreichen Tag dabei, wie ich in aller Eile mein Robenhemd bügelte — ganz schnell, um noch ein Viertelstündchen Pause zu haben.
Plötzlich erkannte ich, was ich gerade tat: meine Bügelarbeit hastig beenden, damit ich mich noch kurz hinlegen konnte. In meinem Kopf ertönte ein Satz: Alle Zeit ist deine Zeit.
Und das änderte alles. Plötzlich konnte ich mir den Raum geben, den ich brauchte, um das zu tun, was getan werden musste. Und damit konnte ich plötzlich erleichtert aufatmen. Es war wunderbar, das Hemd schön glatt zu bügeln. Während ich mich dem Bügeln hingab, gab es niemanden mehr, der unbedingt eine Pause brauchte. Diese Person war völlig verschwunden. Es gab nur noch das Bügeln. Herrlich!
Aus Daidos Einsicht
Vielleicht gibt es keinen besseren Weg, uns selbst zu erkennen, als zu vergessen, was wir über uns wissen oder zu wissen glauben. Zieh einfach deine Robe an, geh ins Zendo, iss die Mahlzeit und spüle ab. Wenn wir diese Erfahrung machen, werden alle Dinge — ohne Ausnahme — zu den Lehren, zum Dharma.
Aber was ist mit einem Zen-Lehrer? Was bedeutet es, einer zu sein?
Ich möchte Euch an die Worte des großen Vaters unserer Rinzai-Schule, Meister Ōbaku, erinnern: “Wussten Sie, dass es in den ganzen Niederlanden keinen Zen-Lehrer gibt?”
Ich bin Euch zutiefst dankbar für Eure Anwesenheit heute. Ihr seid hierhergekommen, um an der Zeremonie teilzunehmen und neue Zen-Lehrer zu sehen. Aber ich muss euch sagen: Wenn Ihr einen Zen-Lehrer sucht — hier auf Noorder Poort oder irgendwo anders -, werdet Ihr keinen finden.
Wer ist der Lehrer? Wo ist der Lehrer?
Aus Angelas Einsicht
Als 2017 eine deutschsprachige Zen-Lehrer-Ausbildung angekündigt wurde, wollte ich unbedingt daran teilnehmen. Jiun Roshi sagte zu.
Nach einer Weile kamen mir jedoch ernsthafte Zweifel: Bin ich gut genug dafür? Kann ich das machen? Fragen, die uns so oft in die Quere kommen. Ich verbrachte eine ganze Weile damit, eine Frage an Jiun Roshi zu diesen Zweifeln zu formulieren. Ich weiß nicht mehr, wie die Frage lautete, aber an die Antwort erinnere ich mich sehr gut: Es ist ganz einfach, du hast diesen Weg eingeschlagen, und wohin er dich führen wird, kannst du nicht wissen. Also ging ich weiter.
Heute nun – ein besonderer Tag: ein neuer Name, ein neuer Titel, eine neue Aufgabe. Wer steht hier vor euch, wer darf sich plötzlich „Zen-Lehrerin“ nennen? Ist es das oft gierige, oft unsichere, oft zweifelnde Wesen? Oder ist es die wahre Frau, ohne Namen, ohne Titel, ohne Alter, die ungehindert durch die Pforten der Sinne ein- und ausgeht? Gibt es einen Unterschied? Ist da noch jemand? Hört mal! (die Klingel)
Angela erhielt von Jiun Roshi den Lehrernamen Jifu, was so viel wie alles durchdringendes Mitgefühl bedeutet. Kyogen, Kido und Daido behielten den Namen, den sie als Unsui erhalten hatten.
(Übersetzung aus dem Niederländischen von Marie Louise Linder)
Quelle: Vier nieuwe zenleraren aus ZenLeven Frühjahr 2025