Foto Hans Benn

Pho­to Hans Benn

Dichter im Zen

Von Mo­ni­que Le­fer­ink op Reinink

Ko­an

Die Scha­le springt auf.
Unversehrt
liegt die Haselnuss
in mei­ner Handfläche.

Ewi­ger Schnee,
Som­mer und Winter,
blind auf dem Berggipfel.

Je­mand schlägt ei­ne Glocke.
Wenn du ge­nau hinhörst,
schwei­gen Him­mel und Erde.

Nichts zu finden

wer sagt „ich bin“
wenn das Licht durch die Wol­ke bricht?

ist es das tan­zen­de Schilf
oder viel­leicht ei­ne letz­te Pusteblume?

geh, oh­ne zu wis­sen, bleib,
komm nie­mals an

Stil­le er­scheint und verschwindet
im Ruf der Gänse

Teeschale von Otagaki Rengetsu

Tee­scha­le von Ot­ag­aki Rengetsu

Ot­ag­aki Ren­getsu (1791–1875)1

Einst strei­chel­te ich die schla­fen­de Haut mei­ner Kinder.
In tie­fer Trau­er schnei­de ich mir die Haa­re ab.

Kra­ni­che schrei­en, ih­re ro­ten Köpfe
Pas­san­ten, flüch­tig wie Träu­me in Grasschrift
auf ei­nem Strei­fen Pa­pier oder im Ton
ei­ner frisch­ge­töp­fer­ten Teeschale

bricht Licht wie Was­ser in mei­nen Händen
zer­reißt den Abend
mur­melt Kirsch­blü­ten un­ter dunk­len Glocken

ein­zig sich selbst

(Über­set­zung aus dem Nie­der­län­di­schen von Ma­rie Loui­se Linder)

Quel­le: Dich­ter bij Zen aus Zen­Le­ven Früh­jahr 2025

1 Sie­he auch den Ar­ti­kel von Mo­ni­que über Ot­ag­aki Ren­getsu in die­ser Ausgabe.