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Nichts ist Routine

Dais­hin van Hoog­da­lem über ein au­ßer­ge­wöhn­li­ches Zen-Wochenende

Wenn man sich bei ei­nem Sess­hin im Zen­do um­schaut, könn­te man mei­nen: Zen ist tat­säch­lich et­was für über 50-Jäh­ri­ge. Aber das ist es nicht! Inez El­tink such­te über In­sta­gram Teil­neh­men­de für ein Zen-Wo­chen­en­de für jun­ge Er­wach­se­ne auf Noor­der Po­ort. In­ner­halb kür­zes­ter Zeit hat­te sie 55 An­mel­dun­gen. War­um gab es ei­ne so gro­ße Re­so­nanz? Ei­ne der Be­din­gun­gen für die Teil­nah­me war, dass al­les ge­filmt und für ei­ne Do­ku­men­ta­ti­on über Stil­le ver­wen­det wer­den kann. Und lei­der gab es nur Platz für 10 Teilnehmende.

Inez stu­diert Film an der Ho­ge­school vo­or de Kunsten in Ut­recht. Sie kam auf die Idee für ihr Ab­schluss­pro­jekt, weil sie ein­mal ein be­son­de­res Er­leb­nis mit ei­nem Nach­mit­tag in Stil­le hat­te und selbst manch­mal meditiert.

Vie­le jun­ge Men­schen in­ter­es­sie­ren sich für Me­di­ta­ti­on und be­nut­zen zum Bei­spiel ei­ne App. Oder sie me­di­tie­ren am En­de ei­ner Yo­ga­stun­de. Wä­re der Schritt zu ei­nem Wo­chen­en­de der Stil­le zu groß? Was pas­siert ei­gent­lich, wenn man sich ei­ne Aus­zeit von der Hek­tik der Ar­beit, der Aus­bil­dung, so­zia­ler Netz­wer­ke und so­zia­ler Me­di­en nimmt? Fast al­le Teil­neh­mer ga­ben am Frei­tag­abend, dem 26. Ja­nu­ar, frei­wil­lig ih­re Han­dys ab. Und nach dem Es­sen be­gan­nen wir das stil­le Abenteuer.

Am Sams­tag­mor­gen konn­test du im Zen­do ei­ne Steck­na­del fal­len hö­ren. In die­ser Hin­sicht ist die­ses Wo­chen­en­de nicht an­ders als an­de­re Zen-Wo­chen­en­den. Aber die At­mo­sphä­re ist doch ein biss­chen an­ders. Für die Teil­neh­mer ist al­les neu. Ver­beu­gung, Su­tra-Ge­sang, Tee­trin­ken, Kin­hin. Nichts ist Rou­ti­ne. Viel­leicht ist das der Grund, war­um es so in­ten­siv ist. Dass sich man­che Din­ge lo­ckern, wird wäh­rend des Do­ku­san deut­lich. Ob­wohl un­se­re Pro­ble­me al­le den glei­chen Ur­sprung ha­ben, gibt es Un­ter­schie­de in den Le­bens­fra­gen, mit de­nen wir kon­fron­tiert sind. Dass der Druck auf jun­ge Men­schen oft groß ist, wird mir ziem­lich klar. Es wird so viel er­war­tet in Be­zug auf Ar­beit, Aus­bil­dung und per­sön­li­che Ent­wick­lung, dass es fast zwangs­läu­fig zu Blo­cka­den kommt. Man­che zah­len ei­nen ho­hen Preis in Form von Ver­span­nun­gen, Über­ar­bei­tung. An­de­re füh­len sich al­lein, weil sie ver­su­chen, sich dem so­zia­len Druck zu ent­zie­hen. Wer bin ich und was will ich — das sind gro­ße Fragen.

Mit klei­nen Ges­ten ge­lingt es den Rau­chern, zu­sam­men zu kom­men. Schwei­gend ste­hen sie bei­ein­an­der und ge­nie­ßen ihr Zi­ga­rett­chen. Der ei­ne zieht sich zu­rück und schaut wäh­rend der Pau­se in den blau­en Him­mel. Ein an­de­rer nutzt die Ge­le­gen­heit, um über die Kin­hin­pfa­de zu sprin­ten. Und liegt da je­mand aus­ge­streckt auf dem Weg? Als ich in der Pau­se über das Ge­län­de schlen­de­re, kommt ein Teil­neh­mer von hin­ten auf mich zu: Dais­hin, Dais­hin, darf ich ei­ne Fra­ge stel­len? Na­tür­lich geht das. Dann stellt sich her­aus, dass ihn et­was, das ich an die­sem Mor­gen er­zählt ha­be, be­rührt hat, und nun ist er neu­gie­rig, wie das für mich ist. Wäh­rend wir al­so re­den, ge­hen wir ein Stück ge­mein­sam wei­ter. Es sind klei­ne Din­ge wie die­se, die das Wo­chen­en­de ein biss­chen an­ders ma­chen. Ich spü­re Of­fen­heit. Und das ist auch schön.

In der Aus­tausch­run­de am Sonn­tag zeigt sich, dass das Be­dürf­nis, sich mit­zu­tei­len, groß ist. Es wur­de viel ge­zeich­net und ge­schrie­ben. Ich bin über­rascht von den Er­kennt­nis­sen, die ein Wo­chen­en­de in Stil­le mit sich bringt. Die Ent­de­ckung, dass man nicht selt­sam ist, wenn man nicht ge­sel­lig ist. Dass das in Ord­nung ist. Zu spü­ren, dass man sich in sei­nem ge­schäf­ti­gen Le­ben nach Stil­le sehnt und dass man sich in der Stil­le nach dem Ge­schäf­ti­gen sehnt. Aber dass das ei­ne das an­de­re nicht aus­schließt. Dass du das hin­ter dir las­sen kannst. Ent­span­nung er­fah­ren, weil du dich nicht dar­um küm­mern musst, was an­de­re von dir den­ken oder was du von an­de­ren denkst. Be­mer­ken, dass dei­ne Krea­ti­vi­tät in der Stil­le wächst. Er­ken­nen, dass Ver­bin­dung sehr wich­tig ist und dass dies mit Wor­ten, aber auch in der Stil­le ge­sche­hen kann. Die­se Ver­bin­dung ist so­gar so stark, dass ei­ni­ge Teil­neh­men­de im­mer noch in Kon­takt sind.

Es war ein au­ßer­ge­wöhn­li­ches Wo­chen­en­de. Es gibt ein kla­res Be­dürf­nis un­ter jun­gen Men­schen, ge­mein­sam zu me­di­tie­ren. Zen wird nicht als fremd emp­fun­den. Nur noch ein biss­chen war­ten und dann kön­nen wir es mit ei­ge­nen Au­gen se­hen. Der Do­ku­men­tar­film von Inez wird wahr­schein­lich im Som­mer fer­tig sein.

(aus dem Nie­der­län­di­schen über­setzt von Ma­rie Loui­se Linder)

Quel­le: Niets is rou­ti­ne aus Zen­Le­ven Früh­jahr 2024