Foto: Ryan Minion

Fo­to: Ryan Minion

Dichter im Zen

von Au­ke Leistra

Kürz­lich er­schien im Ver­lag Elik­ser ei­ne Ge­dicht­samm­lung un­se­res Re­dak­teurs Au­ke Leis­tra: Ein an­de­res Wort für Mut­ter. Wir zi­tie­ren den Text auf der Web­site für den Gedichtband:

Au­ke Leis­tra war schon über 40 Jah­re alt, als er er­fuhr, dass er wäh­rend der ers­ten ein­ein­halb Jah­re sei­nes Le­bens lan­ge Zeit nicht bei sei­ner Mut­ter wohn­te, weil die­se da­mals ‚psy­chisch la­bil‘ war. Er kam zu ei­ner ent­fernt ver­wand­ten Tan­te, von der nicht mehr be­rich­tet wur­de, als dass sie ‚ihm das Lau­fen beibrachte‘.
Dies war ei­ne spä­te Of­fen­ba­rung, die sein ge­stör­tes Ver­hält­nis zum Le­ben im All­ge­mei­nen und zu sei­ner Mut­ter im Be­son­de­ren in ein hel­le­res Licht setz­te. In die­sem grel­len Licht schrieb er die Gedichtsammlung.“

Der Band be­steht aus drei Ka­pi­teln: Ent­fer­nung, Va­ria­tio­nen über ein The­ma, und Wie­der­an­nä­he­rung. Aus je­dem Ka­pi­tel ent­neh­men wir ein Gedicht.

Bei näherer Betrachtung

Als Kind konn­te ich abends in der Dämmerung
an kei­nem Fens­ter vor­bei­ge­hen oh­ne ei­nen Blick
in das er­leuch­te­te Wohn­zim­mer zu werfen
und hin­ter je­dem Ge­sicht das ich dort sah
un­er­mess­li­ches Leid zu vermuten.
Viel spä­ter wür­de ich verstehen
dass je­des Fens­ter in das ich als Kind
ei­nen Blick ge­wor­fen hatte
ein Spie­gel ge­we­sen war.

Ewiger Schnee

Die Scher­ben lie­gen um sei­ne Fü­ße herum
wie das Glit­zern rund um die Läufe
des Rehs in ei­ner Glaskugel
wie man sie in An­denken­lä­den kau­fen kann.

Vor Ge­brauch Schütteln.

Auf Mo­kas­sins aus Wildleder
geht er laut­los durchs Leben,
stets in Furcht vor dem Schneesturm
der je­der­zeit auf­zie­hen kann.

Wiedererkennung

Mei­ne Mut­ter weiß noch wie ich heiße,
aber es wird nicht mehr lan­ge dauern
bis wir ein­an­der fremd sind.
Dann schließt sich der Kreis
und al­les wird wie­der ver­traut sein
in sei­nem herz­zer­rei­ßen­den Schmerz.

(aus dem Nie­der­län­di­schen über­setzt von Do­ris Behrens)

Quel­le: Dich­ter bij Zen aus Zen­Le­ven Herbst 2024