Der rote Faden des Kochs

In­ter­view von Ar­dan Tim­mer mit Dai­ten (Ro­bert Jan Raaman)

Seit gut zwei Jah­ren ist Dai­ten der Ten­zo, der Haupt­koch auf Noor­der Po­ort. Sein bür­ger­li­cher Na­me ist Ro­bert Jan Raa­man. Den Na­men Dai­ten hat er be­kom­men, als er sei­ne Ge­lüb­de ab­ge­legt hat im „Zen Ri­ver Tem­pel“ in Uit­hui­zen, Nie­der­lan­de, wo er drei Jah­re lang üb­te. Im Ja­nu­ar die­ses Jah­res ist die Kü­che re­no­viert wor­den. Sie ist nun dop­pelt so groß wie vor­her. Ein schö­ner An­lass, um auch ein­mal mit dem Koch zu sprechen.

Ist Zen oder Spiritualiät in deinem Leben wichtig?

Nun, das hängt da­von ab, was man un­ter Zen ver­steht. Für mich ist die ja­pa­ni­sche Tra­di­ti­on, ob­wohl ich sie schät­ze, ei­gent­lich zu ei­nem Hin­der­nis ge­wor­den. Ich fin­de sie schreck­lich. Wahr­schein­lich ist das ei­ne Pha­se auf dem Zen-Weg. 

Aber Spi­ri­tua­li­tät in wei­tes­tem Sin­ne ist sehr wich­tig in mei­nem Leben.

Oder bes­ser ge­sagt: Sie ist mein Le­ben. Sie ist das zen­tra­le The­ma. Wenn ich so zu­rück­schaue, ich bin nun 41 Jah­re alt, dann ist sie der ro­te Fa­den, der sich durch mein Le­ben zieht. In­for­mell hat mei­ne spi­ri­tu­el­le Su­che, den­ke ich, schon mit mei­ner Ge­burt be­gon­nen oder ei­gent­lich schon davor. 

For­mell be­gann mei­ne Su­che, als ich acht­und­zwan­zig war und zum ers­ten Mal zu ei­nem spi­ri­tu­el­len Leh­rer, Kees van de Bunt ging. Ihn se­he ich als die Ba­sis für mei­ne spi­ri­tu­el­le Ent­wick­lung an. Ei­ne Ent­wick­lung, die noch im­mer wei­ter geht.

Der Grund da­für, dass sie mit mei­nem acht­und­zwan­zigs­ten Le­bens­jahr be­gann, ist, dass mein Le­ben auf ver­schie­de­nen Ebe­nen nicht mehr rund lief. Be­zie­hun­gen, Ar­beit und sol­che The­men. Das bud­dhis­ti­sche Buch, das ich dann las, war „De Lo­tus en de Roos„ von Han de Wit. Da­mals ha­be ich ein­fach al­lei­ne mit dem Me­di­tie­ren be­gon­nen. Aber ich merk­te, dass ich doch ei­nen Leh­rer nö­tig hat­te. Und das war dann Kees van de Bunt.

Siehst du das Kochen als einen Beruf an oder auch als ein spirituelles Tun?

Ich war schon frü­her be­ruf­lich im Gast­ge­wer­be tä­tig, und ich fin­de es auch schön zu ko­chen. Al­so ja, ich se­he es als ei­nen Be­ruf an. Aber ich se­he es auch als ein spi­ri­tu­el­les Tun an. Ich fin­de es sehr schön, dass ich et­was tun kann, um die Men­schen, die hier zu Sess­hins kom­men, zu un­ter­stüt­zen. Es ist zwar ei­ne be­schei­de­ne Rol­le, aber ich kann doch sehr viel geben.

Erlebst du Jiun Roshi als deine Lehrerin?

Hier auf Noor­der Po­ort gibt es meh­re­re Leh­re­rIn­nen, und je­de, bei der ich im Do­ku­san-Raum sit­ze, ist mei­ne Leh­re­rIn. Ich füh­le mich nicht so sehr ei­ner Tra­di­ti­on ver­bun­den. Aber ich hal­te noch stets Kon­takt mit Kees, mei­nem al­ler­ers­ten Leh­rer. Ich fin­de es wich­tig, als Mann ne­ben weib­li­chen Vor­bil­dern auch männ­li­che Leh­rer zu ha­ben. Hier sind es doch zum gro­ßen Teil Lehrerinnen.

Aber ich se­he es auch so, dass al­les und jede/r ein Leh­rer sein kann. Ganz be­son­ders Men­schen und Si­tua­tio­nen, mit de­nen ich vie­le Rei­bun­gen ha­be, weil ich dar­an wach­sen kann.

Auch in die­ser Hin­sicht kann man sa­gen, dass Ji­un Ro­shi ei­ne gu­te Leh­re­rin für mich ist.

Welche Rolle spielt Kochen /Koch sein in deinem Leben?

Ich ha­be die Schu­le ab­ge­bro­chen. Ich ha­be zwar ganz gut ge­lernt, aber ich ha­be die Re­al­schu­le nicht ab­ge­schlos­sen. Da­nach ha­be ich ei­ne Leh­re im Gast­ge­wer­be ge­macht und ko­che seit mei­nem neun­zehn­ten Le­bens­jahr. Ich ha­be in ver­schie­de­nen Re­stau­rants ge­ar­bei­tet. Zu­letzt war ich selbst­stän­di­ger Koch und woll­te ei­nen ei­ge­nen Be­trieb er­öff­nen. Aber gleich­zei­tig kam ich als Acht­und­zwan­zig­jäh­ri­ger an den Punkt, dass ich merk­te, so wür­de es nicht wei­ter­ge­hen. Al­so, zu ei­nem ei­ge­nen Be­trieb ist es nicht ge­kom­men, doch mei­ne spi­ri­tu­el­le Su­che hat da­mals begonnen.

Ko­chen spielt al­so ei­ne recht zen­tra­le Rol­le in mei­nem Le­ben, aber ich muss ehr­lich sa­gen, dass ich froh wä­re, wenn ich nicht mein gan­zes Le­ben lang als Koch ar­bei­ten müsste.

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Welche Einstellung hast du zu Nahrungsmitteln? Findest du es z. B. wichtig, dass biologisch oder vegan gekocht wird?

Wenn et­was von Tie­ren kommt, ist es na­tür­lich am bes­ten, wenn es bio­lo­gisch ist. Al­so Milch­pro­duk­te und Ei­er, das ist biologisch.

Wor­auf ich bei nicht bio­lo­gi­schen Pro­duk­ten vor al­lem schaue, ist, dass sie von gu­ter Qua­li­tät sind. Und ich ach­te auch dar­auf, wo die Nah­rungs­mit­tel her­kom­men und dass nicht zu vie­le Zu­sät­ze dar­in sind.

Es kommt auch dar­auf an, um was es geht. Wenn ich z. B. zwi­schen ei­ner bio­lo­gi­schen To­ma­te aus Spa­ni­en oder ei­ner To­ma­te aus den Nie­der­lan­den wäh­len muss, dann wäh­le ich die To­ma­te aus den Nie­der­lan­den, weil sie nicht zu lan­ge mit dem LKW trans­por­tiert wer­den muss­te. Al­so, es ist im­mer ein Ab­wä­gen: Was ist besser?

Ich se­he die Nah­rung als Un­ter­stüt­zung für die Men­schen an, die zu Sess­hins hierherkommen.

Wäh­rend Sess­hins wird je­den Tag ve­gan ge­ges­sen, au­ßer am ers­ten Abend und am letz­ten Mor­gen. Ich den­ke, ve­ga­nes Es­sen ist ei­ne sehr gu­te Un­ter­stüt­zung wäh­rend ei­nes Sess­hins. Aber ge­nau­so wich­tig ist es, dass das Es­sen mit Sorg­falt und Auf­merk­sam­keit zu­be­rei­tet wird.

Du bist kein Bewohner von Noorder Poort, sondern Angestellter. Stimmt das?

Ja, ich ha­be 2016 ein Jahr lang hier ge­wohnt und war im Trai­ning. Und da­durch sind die Rol­len, al­so die Rol­le als Koch/Angestellter und die Rol­le als Be­woh­ner ein biss­chen durch­ein­an­der­ge­ra­ten. Das war ein Kon­flikt. Al­so ha­be ich zu ei­nem be­stimm­ten Zeit­punkt für mich sel­ber ei­ne Gren­ze ge­zo­gen. Ich ha­be klar­ge­stellt, dass ich hier als Koch bin und nicht als Be­woh­ner. Da ich kei­ne ei­ge­ne Woh­nung ha­be, blei­be ich ab und zu auch zwi­schen den Sess­hins auf Noor­der Po­ort. Meis­tens ma­che ich dann al­les, wo­zu ich wäh­rend der Sess­hins nicht kom­me, wie lie­gen­ge­blie­be­ne Putz­ar­bei­ten, Me­nüs auf­stel­len oder Brot backen.

Welche Erwartungen hast du für dein weiteres Leben?

Ein­fach wei­ter­ma­chen und se­hen, wie die Din­ge sich ent­wi­ckeln. Mein Le­ben ver­läuft am bes­ten, wenn ich dem gro­ßen Gan­zen die­ne. Und dann spielt es kei­ne Rol­le, ob ich Koch bin oder Zen-Meis­ter oder et­was anderes. 

Dem gro­ßen Gan­zen kann man in je­der Po­si­ti­on dienen.

Und den­noch fän­de ich es sehr schön, wenn ich in der Zu­kunft mit Men­schen ar­bei­ten und sie auf ih­rem Weg be­glei­ten könnte.

(Aus dem Nie­der­län­di­schen über­setzt von Ma­ria Fröhlich)

Quel­le: De ro­de draad van de kok, Zen­Le­ven Früh­jahr 2022