Prab­ha­sa Dhar­ma Zen­ji und Ji­un Ro­shi 1986

Weshalb ein Zen-Mönch sich den Kopf rasiert

Von Cis­ka Matthes

Wäh­rend mei­ner Zeit in Dai Bo­sa­tsu, ei­nem wun­der­schö­nen Zen-Zen­trum mit­ten in den Cats­kill Mou­ta­ins im Staat New York, ha­be ich mir ein­mal ei­nen oben in den Ber­gen ge­le­ge­nen Ge­mü­se­gar­ten an­ge­schaut. Die­ser Gar­ten war von ei­nem äl­te­ren ja­pa­ni­schen Herrn an­ge­legt wor­den, der schon lan­ge in Ame­ri­ka leb­te, aber im­mer noch nicht flie­ßend eng­lisch sprach. In der Hü­gel­land­schaft war es im­mer kühl, es gab mehr Schat­ten als Son­ne, und der Ge­mü­se­gar­ten be­fand sich da­her in ei­ni­ger Ent­fer­nung vom Zen­trum , et­was tie­fer und son­ni­ger ge­le­gen. Es war sehr müh­sam, das Stück Land zu be­stel­len und zu pfle­gen, aber die­ser Herr ar­bei­te­te zeit­wei­se täg­lich stun­den­lang und kam dann abends ins Zen-Zen­trum zum Essen.

Ei­nes Ta­ges spa­zier­te ich zu dem Gar­ten, um ihn zu be­wun­dern. Herr Sa­to — so will ich ihn nen­nen – führ­te mich her­um und zeig­te mir be­geis­tert, was er schon mit dem Bo­den ge­macht hat­te, die Bee­te und die ein­ge­fass­ten Ge­mü­se­bee­te. Er zeig­te auch den Zu­fahrts­weg, den er an­ge­legt hat­te und den Kies­weg über die mat­schi­ge Er­de. Er wies auf die Kie­sel­stei­ne, die ziem­lich kan­tig wa­ren und sag­te: “very sharp, wi­th cars…” Ich ver­stand durch sei­ne Ges­ten, dass die Stei­ne in al­le Rich­tun­gen spran­gen, wenn ein Au­to dar­über fuhr.
Dann nahm er ei­nen an­de­ren Kie­sel­stein in die Hand, der schön glatt und ab­ge­run­det war. “Li­ke a monk’s head”, (Wie der Kopf ei­nes Mönchs)sagte er zu­frie­den und strich da­bei sanft mit der Hand dar­über: “Not­hing sti­cking, very smooth.”
So hat­te ich das auch noch nicht be­trach­tet, die kah­len Köp­fe der Zen-Mön­che, so glatt, dass nichts dar­an hän­gen bleibt…

Es gibt Ge­schich­ten in den Su­tras über Men­schen, die ver­är­gert zum Bud­dha kom­men, weil je­mand aus ih­rer Fa­mi­lie in den Mönchs­or­den ein­ge­tre­ten ist. Wahr­schein­lich hat­ten sie an­de­re Plä­ne für ihr Fa­mi­li­en­mit­glied. Sie ma­chen dem Bud­dha Vor­wür­fe und spre­chen ei­ne un­an­ge­neh­me Spra­che mit ihm. Der Bud­dha re­agiert un­ter­schied­lich. In ei­nem Fall schweigt er ein­fach, so dass der wü­ten­de Be­su­cher aus­ruft: “Ha, du weißt kei­ne Ant­wort, ich ha­be gewonnen!”
Der Bud­dha ant­wor­tet dar­auf in Ver­sen. (Ich ha­be die Über­set­zung aus ei­nem Ar­ti­kel von An­dré Baets im Bud­dhis­ti­schen Tageblatt):

Der Narr hält sich für den Sieger,
Wenn er mit gro­ben Wor­ten spricht,
Je­doch die Lang­mut von jemandem
Mit Ver­ständ­nis siegt über ihn.
Wer ei­nem wü­ten­den Men­schen mit Wut antwortet,
Macht es da­durch schlim­mer für sich selbst.
Wer ei­nem wü­ten­den Men­schen nicht mit Wut antwortet,
Ge­winnt ei­nen schwer zu ge­win­nen­den Kampf.
Er han­delt in bei­der Interesse,
In sei­nem und dem des anderen,
Wenn er im Be­wusst­sein, dass der an­de­re bö­se ist,
In vol­ler Auf­merk­sam­keit die Ru­he behält.
Die Men­schen, die den­je­ni­gen, der bei­de heilt – sich selbst und den anderen –
Für ei­nen Nar­ren hal­ten, sind nicht auf der Hö­he des Dharmas.

In ei­nem an­de­ren Fall fragt der Bud­dha noch so ei­nen wü­ten­den Be­su­cher, ob er manch­mal Din­ge an die Tür ge­bracht be­kommt. “Ja,” ant­wor­tet die­ser. “Und bist du ver­pflich­tet, die Din­ge an­zu­neh­men, wenn sie vor dir stehen?”
“Nein,” sagt der Mann. “Nun,” er­klärt der Bud­dha, “ge­nau­so neh­me ich nicht an, was du mir an­bie­test. Es bleibt deins.”
So be­grei­fen die­se Men­schen, die den Bud­dha mit ih­ren Wor­ten an­grei­fen, dass er nicht mit­geht mit ih­ren Emo­tio­nen, son­dern sei­ne Ru­he gänz­lich be­wahrt – und da­mit be­ru­higt er auch sie, sie fin­den kei­nen Bo­den für ih­re Ag­gres­sio­nen und kom­men schließ­lich selbst zur Ruhe.
Ist es nicht das, wo­für der glat­te Kopf ei­nes Mön­ches sym­bo­lisch steht? Ein Geist, in dem Din­ge nicht hän­gen blei­ben, wel­che Vor­wür­fe auch im­mer man ihm macht. So­gar wenn in dir selbst, in dei­nem ei­ge­nen Geist, bö­se Ge­dan­ken auf­kom­men, kannst du sie ab­rut­schen las­sen, ih­nen kei­nen Bo­den bie­ten. Denn bö­se und är­ger­lich zu sein bringt dich nir­gend­wo­hin, sie ge­ben dir nicht Ru­he und Frie­den. Es ist bes­ser, ei­nen wei­ten, ru­hi­gen Geist zu ha­ben, in dem die Din­ge vor­über­ge­hen, wie auch im­mer sie sein mö­gen. So dass du dich an nichts klam­merst, dich ge­gen nichts wi­der­setzt. Wie ein un­end­li­cher Him­mel, durch den die Wol­ken zie­hen, wo der Re­gen fällt und trock­net oh­ne jeg­li­ches Hindernis.

Der Text liegt be­reits vor auf der Web­site von Cis­ka, s. Hetoogvandeorkaan.nl/blog

(a.d. Nie­der­län­di­schen über­setzt von Do­ris Behrens)

Quel­le: Waa­rom een zen­mon­nik zi­jn hoofd scheert, Zen­Le­ven Herbst 2019