Du bist vollkommen an deinem Platz

Th­rees Vo­s­kui­len liest das neue Buch von Mau­rits Ho­go Dienske

Ein Buch kann dich aus dei­nen All­tags­sor­gen her­aus­ho­len und in ei­ne an­de­re Welt brin­gen. Es kann dei­ne Er­leb­nis­welt er­wei­tern – oder dir hel­fen, ihr zu ent­kom­men. Die Zen-Vor­trä­ge, die in dem Buch „Du bist voll­kom­men an dei­nem Platz“ zu­sam­men­ge­stellt sind, las­sen dich nicht ent­kom­men, aber sie er­wei­tern und ver­tie­fen dei­ne Welt. Wie im Vor­wort ge­sagt wird, wird auf die Schwie­rig­kei­ten ein­ge­gan­gen, die du bei der Me­di­ta­ti­on er­le­ben kannst und wie du das Dhar­ma (die Leh­re Bud­dhas) in Be­zug auf die Schwie­rig­kei­ten an­wen­den kannst. Die Vor­trä­ge wur­den in den wö­chent­li­chen Me­di­ta­ti­ons­grup­pen, die Mau­rits Ho­go Dien­ske in Ut­recht und Ams­ter­dam lei­tet, ge­hal­ten. Mau­rits ist Zen-Leh­rer und steht in der Tra­di­ti­on von Noor­der Po­ort. Sei­ne Schü­ler ha­ben gut dar­an ge­tan, dar­auf zu drän­gen, dass das Buch her­aus­ge­ge­ben wurde.

Auf wel­cher Sei­te der vier­und­zwan­zig Re­den du auch liest, im­mer bist du auf der rich­ti­gen Sei­te und beim rich­ti­gen Satz. Das Buch ist ide­al für un­ter­wegs, im Zug oder wenn du in der Schlan­ge stehst oder für ei­nen Mo­ment, be­vor wie­der ein Schwung E‑mails her­ein­kommt. Denn du kannst es in je­dem Mo­ment in die Hand neh­men und ein­fach ir­gend­wo auf­schla­gen. Das muss nicht auf der ers­ten Sei­te sein, und um ein gan­zes Ka­pi­tel zu le­sen braucht es nur ein Vier­tel­stünd­chen. In je­dem Ka­pi­tel gibt es im­mer et­was, was dich an­spricht und dir ei­nen et­was an­de­ren Blick­win­kel er­öff­net. Ob­wohl es um Zen und Me­di­ta­ti­on geht, geht es in der Tat je­doch vor al­lem um das Le­ben, um das Le­ben in all sei­nen For­men und Qualitäten.

Im Zen und so auch in den An­spra­chen von Mau­rits wird die Dua­li­tät, die un­ser Le­ben kenn­zeich­net, oft ver­grö­ßert und manch­mal bis ins Ab­sur­de auf die Spit­ze ge­trie­ben, so dass ein Sturz ins Nicht-Dua­le der ein­zi­ge Aus­weg bleibt. Die An­spra­chen hal­ten dich auf die ei­ne oder an­de­re Wei­se stets in der Übung und sind je­des Mal wie­der ein An­sporn, um weiterzumachen.

Die Welt ist groß und weit lau­tet der Ti­tel ei­ner der Ansprachen.

Meis­ter Yun­men sagt: „Die Welt ist groß und weit. War­um zieht ihr eu­re ze­re­mo­ni­el­le Ro­be an, wenn die Glo­cke läutet?“

Mau­rits geht auf die Art des Um­gangs mit der Tra­di­ti­on auf Noor­der Po­ort ein, wo, wie im Klos­ter von Yun­men al­ler­lei ver­schie­de­ne Glo­cken er­klin­gen: zum Es­sen, zum Za­zen, zur Ar­beit und zu den Ze­re­mo­nien, wenn die ze­re­mo­ni­el­le Ro­be an­ge­zo­gen wird.

Und na­tür­lich ruft die Glo­cke oft al­ler­lei Ge­dan­ken und Ge­müts­zu­stän­de in uns wach.

Du kannst un­ter al­lem Mög­li­chen lei­den, sagt Mau­rits, Du wirst viel zu früh am Mor­gen ge­weckt, und du denkst: ‚Oh Mann, wie­der so ein Tag!‘ Oder du denkst: ‚Na los, noch ei­ne Pe­ri­ode Za­zen, dann kommt das Es­sen und da­nach kann ich mich ein biss­chen auf‘s Ohr hau­en, ‘ oder auf was auch im­mer du dich freust. Aber du siehst, dass sol­che Ge­dan­ken und al­le Be­weg­grün­de, die da­hin­ter ste­cken, dich aus dei­ner Zu­frie­den­heit her­aus­ho­len. Das sind Ge­füh­le von Un­zu­frie­den­heit, das Ge­fühl, dass du nicht ge­nau an dei­nem Platz bist, weil da et­was ist, was stört oder nicht gut ist. Meis­ter Yun­men gab als Heil­mit­tel: ‚Die Welt ist groß und weit.‘

Was für ei­nen Aus­spruch hat Mau­rits für die­se Re­de ge­wählt! Die Glo­cke vor dem An­zie­hen der Ro­be ist sinn­bild­lich zu ver­ste­hen. Wie eng steht doch die­se Glo­cke in Ver­bin­dung mit dem all­täg­li­chen Le­ben. Mor­gens, wenn der We­cker geht und die Welt wirk­lich nicht groß und weit ist, dann ist Auf­ste­hen das al­ler­letz­te, was du willst.
Mau­rits sagt in sei­ner An­spra­che weiter:

Und wenn du trau­rig bist, sei es dann auch zu hun­dert Pro­zent und hof­fe nicht dar­auf, dass die Trau­er ver­schwin­det. Kum­mer ist kein Pro­blem. Das Pro­blem ist, nicht trau­rig oder kum­mer­voll sein zu wol­len. Wenn du voll­kom­men of­fen bist für Emo­tio­nen, dann ist die Welt groß und weit.

In die­ser An­spra­che wird auch auf die Es­senz der Zen-Übung eingegangen:

Je­der Atem­zug hat ei­ne be­stimm­te Dy­na­mik, die in Stil­le en­det. Lass dich da­von mit­neh­men. Für die An­wei­sung ‘Die Welt ist groß und weit’ ist es wich­tig, wie du aus­at­mest. Wäh­rend der Aus­at­mung fühlst du die Be­we­gung der Atem­mus­ku­la­tur im Kör­per. Du kannst dar­auf ach­ten, dass am En­de der Aus­at­mung die ge­sam­te Mus­kel­ak­ti­vi­tät ver­schwun­den ist. Da ist nichts wei­ter als ein Kör­per, der voll­kom­men in Ru­he ist. Du bist still. Gleich­zei­tig bist du be­reit, wie­der in Be­we­gung zu kom­men, wenn die Ein­at­mung kommt. Je­der Atem­zug gibt dir die Gelegenheit.

Die Ti­tel der An­spra­chen sind ein­la­dend. Lie­be oh­ne Grund ist so ei­ner. Oder Krank oder nicht krank hat da­mit nichts zu tun. Oder: Das in mir, was mit dir kommt und geht.

Mau­rits Ho­go Dienske

Hier­aus ein letz­tes Zitat:

Lu­zu zi­tier­te ein al­tes Zen-Ge­dicht, in dem es heißt: ‚Die Men­schen ken­nen nicht das Ju­wel, das al­le Wün­sche er­füllt. Die Din­ge so zu se­hen, wie sie sind, ist die Mi­ne, in der das Ju­wel ge­fun­den wird.‘
Dann frag­te er Meis­ter Nan­qu­an: ‚Was ist die­se Mine?‘
Nan­qu­an ant­wor­te­te: ‚Das in mir, was mit dir kommt und geht, ist die Mine.‘
Lu­zu frag­te: ‚Und das, was nicht kommt und geht?‘
Nan­qu­an sag­te: ‚Das ist auch die Mine.‘
Lu­zu frag­te: ‚Was ist das Juwel?‘
Nan­qu­an rief: ‚Lu­zu! ‘ Lu­zu sag­te: ‚Ja!‘
Nan­qu­an sag­te: ‚Geh weg! Du ver­stehst mei­ne Wor­te nicht.‘

Angaben zum Buch

Du bist voll­kom­men an dei­nem Platz, Vor­trä­ge über Zen, Mau­rits Ho­go Dien­ske, Ver­lag Books on De­mand, 120 Sei­ten, ISBN-13: 9783749470860

Das Buch kann im sta­tio­nä­ren Buch­han­del oder auch on­line im BoD-Buch­shop er­wor­ben wer­den. Der BoD-Buch­shop bie­tet ei­ne Le­se­pro­be an.

(aus dem Nie­der­län­di­schen über­setzt von Ma­rie Loui­se Linder)

Quel­le: Je bent vol­ko­men op je plek, Zen­Le­ven Früh­jahr 2019