In Memoriam – Nettie Groeneveld
(9. November 1952 – 6. Oktober 2018)
Am 6. Oktober ist Nettie Groeneveld nach längerer Krankheit mit 65 Jahren verstorben. Nettie kam regelmäßig zu Sesshins nach Noorder Poort und war eine Zeit lang Meditationsleiterin einer Gruppe in Drachten. Außerdem war sie von 2013 bis Anfang 2018 Sekretärin des Vorstandes der Freundesstiftung SVNP. Ihre Beerdigungsfeier fand am 12. Oktober in der Doopsgezinde- Remonstrantse Kerk in Dokkum statt. Tenjo Osho hielt die folgende Ansprache:
Liebe Lenie, Familie, Freunde und Bekannte.
Wir sind hier zusammen, um Abschied von Nettie zu nehmen und um unseren Kummer, unsere Betroffenheit und Weisheit miteinander zu teilen. Von Anfang an hat Nettie an einer Zen-Meditationsgruppe teilgenommen, die ich 2007 zunächst in Dokkum, später in Paesens-Moddergat leitete. Sie ist bis zur Sommerpause dieses Jahres geblieben. Es ist nun still in der Gruppe, wo wir die Pumpe ihrer Sonde, womit sie ernährt wurde, nicht mehr hören und leer, da wir ihre Matte nun nicht mehr hinlegen müssen.
In einem der Gespräche, die ich mit ihr geführt habe, sagte sie, sie wolle gern erzählen und uns durch ihr Leben zeigen, was Meditation mit ihr gemacht hat. Es hat ihr viel gebracht. Sie hat in ihrem Leben oft an Gruppen, die an persönlicher Entwicklung arbeiten, teilgenommen, aber Zen und der Buddhismus haben sie wirklich berührt. Er ist ihr Zuhause geworden – „bis jetzt, da ich hier heute stehe. Ich finde es toll und ganz besonders, dass ich durch den Zen-Buddhismus selbst einen Beitrag dazu leisten kann.“ Ein Ausdruck davon ist auch, denke ich, wie Nettie und Lenie sich gegenseitig die Freiheit ließen, ihren eigenen Weg gehen zu können, und ihn doch immer wieder zusammenführen konnten. Vor allem fand ich es so wunderbar, zu sehen, wie Ihr beide in der letzten Phase von Netties Krankheit aus Eurer jeweils eigenen Tradition heraus den nahenden Tod angenommen habt.
Lenie sagte später über den Tod, dass wir ja nicht wissen, wie es ist, zu sterben. Warum sollten wir dann Angst davor haben. Keine Angst vor dem haben, was kommen wird, wir wissen nicht, wie es sein wird. Das Leben und die Gegebenheiten so nehmen, wie sie sind. In dem letzten Gespräch, was ich mit Nettie hatte, sagte sie mit einer an Sicherheit grenzenden Überzeugung: „Solange wir das Gute tun, wird alles gut.“ Der Text aus Matthäus 6.25 – 34, der hier gelesen wurde, fügt sich da wunderbar an. Da steht, dass wir uns keine Sorgen machen, und wir zuerst das Königreich und seine Gerechtigkeit suchen sollen. Was das bedeutet, das Königreich zu suchen und seine Gerechtigkeit, das überlasse ich gern den Theologen. In dem Moment, als Nettie sagte, dass es gut wird, solange wir das Gute tun, konnte ich mit ihr gehen. Am Schluss ihrer letzten Nachricht gab sie uns das als Auftrag mit: „Sorgt für die Erde, für die Tiere, für Euch.“
In einem buddhistischen Sutra, dem Maitri Sutra, steht:
Lass alle Wesen klar und fröhlich sein
Und in Glück und Harmonie wachsen.
Ob sie in dieser Welt leben,
ob sie stark sind oder schwach,
auf dem Boden kriechen oder aufrecht gehen,
klein, mittel, robust oder zart sind,
unsichtbar oder sichtbar,
ob in der Nähe oder weit entfernt,
bereits geboren oder noch im Schoß der Zukunft:
Mögen all‘ diese Wesen glücklich sein.
Sie wusste, wenn wir gut für andere sorgen, sorgen wir auch gut für uns. Dass, wenn wir der Natur Gewalt antun, wir auch uns selbst Gewalt antun.
Im Text von Matthäus wird gesagt, dass wir auf die Vögel am Himmel und die Lilien auf dem Feld schauen sollen. Die Natur zeigt uns, wie wir uns in dem ständigen Strom der Veränderung mit bewegen können. Leben und Tod gehen ineinander über. Als Lenie anrief, um zu sagen, dass Nettie verstorben war, kam ich gerade aus dem Film „Wad“ von Ruben Smit. Der Film zeigt schön den Wechsel der Jahreszeiten, das Kommen und Gehen der Gezeiten, das Fressen und Gefressenwerden und wie die Tiere damit umgehen. Die Veränderlichkeit ist traurig und schön zugleich. Sie bedeutet Abschied nehmen und neue Momente erfahren. Wir bekommen nur dann Probleme, wenn wir uns den Dingen widersetzen, die uns nicht angenehm sind und wenn wir es anders haben wollen, als es nun mal ist.
Die Hingabe an gute und schwierige Momente konnten wir so schön in Netties Briefen lesen: „Es geht zurück mit mir und die letzte Phase des Prozesses hat begonnen. Ich weiß noch nicht, wie ich damit umgehen soll. Das ist kein Notruf sondern eine Feststellung. Euch darüber zu verständigen, tut mir gut. Dem neuen Abschnitt Beachtung schenken. Einfach anschauen, sehen, was da ist. Sowohl den physischen als auch den mentalen Aspekt. Achtsamkeit.“ Und: „Hier auf dem Dorf ist es gut. Wir haben einen Obst- und Gemüse-Stand an der Straßenecke bekommen. Yvonne und Bert arbeiten da. Bauer Jan sorgt sich darüber, dass das Gras nicht wächst. Er füttert zu mit Winterfutter. Hier sind die Weiden noch ziemlich grün. Meine Aussicht bleibt herrlich und die blauen Busse fahren wieder.“ Was für eine schöne Wahrnehmung! Darüber, wie sie ihr Haus aufgeräumt hat, schreibt sie: „ Und wenn ich jetzt wieder damit beschäftigt bin, ist es auch stets wieder überraschend und erleichternd, dass ich nichts von all dem, was da im Haus ist, mitnehmen kann. Wenn alle persönlichen Sachen aus dem Haus (und größtenteils beseitigt) sind, wenn alles weg ist, was die Menschen um mich herum noch haben wollen, ist es fertig. Dann bitten wir den ‚kringloop‘, den Rest zur Weiterverwertung abzuholen. So mühsam war oft das Anschaffen und so einfach ist es jetzt, es weg zu geben – ohne Mühe.“
Liebe Nettie, Du hast durch Dein Leben gezeigt, was so wichtig für Dich war. Du hast uns sehen lassen, wie die Vögel in der Luft fliegen und die Lilien auf dem Feld stehen. Du hast uns gezeigt, wie Leben und Sterben sein kann. Danke für Deine begeisternde Fröhlichkeit, Deine warme Verbundenheit und für die Weisheit, die Du mit uns geteilt hast. Auf dass es Dir auf Deiner weiteren Reise gut gehe! Wir werden uns sicher wieder begegnen.
(aus dem Niederländischen übersetzt von Marie Louise Linder)
Quelle: In Memoriam — Nettie Groeneveld, ZenLeven Herbst 2018