Ma­riët­te nahm an dem zwei­jäh­ri­gen In­ten­siv-Pro­gramm teil. Im An­schluss schrieb sie die­sen Text. Sie möch­te nicht mit ih­rem Nach­na­men oder mit ei­nem deut­lich er­kenn­ba­ren Fo­to auf ei­ner Web­sei­te stehen.

Erfahrungsbericht Thuis-Trajekt

Es war ein­mal…. ein Thuis-Tra­jekt und es kam wie gerufen.

Nach­dem ich Jahr­zehn­te re­gel­mä­ßig Za­zen prak­ti­ziert hat­te – zu­nächst oh­ne re­li­giö­sen Rah­men, spä­ter auf Noor­der Po­ort, fühl­te ich mich fest­ge­fah­ren. Ich me­di­tier­te täg­lich, be­such­te ei­ne Zen­grup­pe, nahm an Sess­hins teil, aber doch……
Re­gel­mä­ßig dach­te ich: „Ja. Ich weiß ganz ge­nau, was ich nun ei­gent­lich tun soll, nur nicht jetzt.“
Be­we­gen­de und er­hel­len­de Er­fah­run­gen, die ich in Sess­hins ge­sam­melt hat­te, ver­blass­ten mit der Zeit zu Er­in­ne­run­gen, sie leb­ten nicht mehr. Oder: ich leb­te sie nicht mehr.
Das ist mehr als zwei Jah­re her.

Dann kam das „Tra­jekt“ und es war viel­leicht kein Mär­chen, aber es gab Ähn­lich­kei­ten: Ich ging los und be­schloss, oh­ne Vor­be­hal­te mit­zu­ma­chen. Ganz da hin­ein zu ge­hen. Das war wich­tig. Es half mir, durch­zu­hal­ten, als es schwie­rig wur­de. Das ist auch ei­ner der Vor­tei­le ei­ner sol­chen Rei­se: du musst da durch.
Au­ßer­dem muss­te ich nicht nach ei­ner al­ten wei­sen Frau su­chen, die mich führ­te: Ji­gen war von An­fang an da­bei. Al­le zwei Wo­chen. Ich konn­te ihr ver­trau­en. Das war wich­tig und schön. Ich ha­be viel emp­fan­gen und konn­te viel tei­len. Dar­über hin­aus fand ich un­er­war­tet „zu­fäl­li­ge“ Weg­wei­ser. Die ha­be ich als Ex­tra- Zu­ga­be be­kom­men. Hin und wieder.

Ji­gen lehr­te mich wäh­rend des Text­stu­di­ums, die Fra­ge zu stel­len: „Was be­deu­tet das für mich jetzt, in die­sem Mo­ment mei­nes Lebens?“
Das ers­te The­ma be­han­del­te die Vier ed­len Wahr­hei­ten, von de­nen ich dach­te: Ja, die hab ich schon ge­habt, das wis­sen wir jetzt…, um dann auf die Fra­gen wirk­lich ein­zu­ge­hen und mich über­ra­schen zu las­sen. Der Text dar­über er­öff­ne­te sich mir, es schien so viel mehr Tie­fe dar­in zu ste­cken, als ich ge­dacht hat­te. So war es auch bei an­de­ren The­men. So wie bei den „Vier gött­li­chen Brahmavihara´s“. (den „Vier gren­zen­lo­sen Geisteszuständen“).

Wenn ich zu­rück­bli­cke, scheint es mir, dass ich das ers­te Jahr – und noch ein biss­chen län­ger – brauch­te, um lo­cke­rer zu wer­den. Ich bin nun schon et­was wei­cher. Das meis­te ge­schah in die­ser Zeit all­mäh­lich. Au­ßer, als mir klar wur­de, dass es letzt­end­lich nicht dar­um geht, das zu tun, von dem man weiß, dass man es tun muss. Dass es ei­ne Fra­ge von „Sein“ ist. Die­ser Gro­schen fiel plötz­lich. Wie ging ich da­mit wei­ter um? Denn: „Sein“ kannst Du nicht wie­der­ho­len und du kannst es nicht tun.

Die letz­ten acht Mo­na­te sind we­ni­ger gleich­mä­ßig ver­lau­fen. Mit Strom­schnel­len und Über­ra­schun­gen. Als wür­de ich plötz­lich mei­ne her­um­wir­beln­den, sich selbst ver­stär­ken­den Ge­dan­ken durch­schau­en. Wirk­lich se­hen, wie die meis­ten von ih­nen aus ei­ner Art von Ego-Schutz ent­stan­den sind. Sie zu ent­tar­nen schien ih­nen die Kraft zu neh­men. Aber ich spür­te auch die Angst, die­sen Qua­si-Schutz los­zu­las­sen und gleich­zei­tig den Wunsch, mich da­von zu be­frei­en, um dann in ei­nen un­be­grenz­ten Raum zu ge­lan­gen ..……,in dem ich bes­ser se­hen konn­te , wirk­lich se­hen: an­de­re, mich selbst, die gan­ze Si­tua­ti­on. Das un­ter­schei­det sich grund­le­gend da­von, mich mit mei­nem ei­ge­nen Denk­mus­ter in ei­ne an­de­re Per­son zu ver­set­zen. Mit­ge­fühl, …. ich fan­ge an, et­was da­von zu begreifen
Wenn ein Ur­teil über an­de­re in mir ent­steht und es mir ge­lingt, es zu be­mer­ken, kann ich ver­su­chen, los­zu­las­sen und es im „Raum“, im Zu­stand von Of­fen­heit zu be­trach­ten. Es ist oft über­ra­schend, was ich dann se­he. Aber es ist nicht un­ver­bind­lich: Wenn ich es se­he, dann muss ich auch et­was da­mit ma­chen oder eben nichts ma­chen. Und wenn ich mich nicht traue, das zu tun? Manch­mal er­gibt sich ei­ne Lö­sung von selbst. Und es gibt im­mer et­was zu ler­nen. Das Er­geb­nis ist bis­her über­ra­schend und er­mu­ti­gend. Ich ler­ne mich an­ders und bes­ser kennen.

Et­was Grund­le­gen­des scheint sich ge­än­dert zu ha­ben: Ich füh­le mich le­ben­di­ger und glück­li­cher. Viel­leicht ha­be ich et­was zu­rück­be­kom­men, das ich ver­lo­ren hat­te. Ge­ra­de weil ich auch Fe­dern las­sen muss­te, Din­ge auf­ge­ben muss­te, die mir wich­tig wa­ren, die ich aber nicht mehr tun konn­te. Das kam nicht durch das Tra­jekt, son­dern durch das Le­ben. Es war schmerz­haft. In der Zwi­schen­zeit stel­le ich fest, dass durch das Los­las­sen Raum für et­was Neu­es ent­steht. Ich ge­nie­ße das, spie­le­risch und mit kind­li­cher Freu­de. Und dann fühl ich mich wie­der sehr jung und fröhlich.
Das ist nicht sta­tisch, es ist ei­ne Be­we­gung, die kommt und geht…

Nach­trag
En­de Fe­bru­ar er­hielt ich die An­fra­ge, et­was über das Tra­jekt zu schrei­ben. Das war ei­ni­ge Ta­ge, nach­dem wir von Ko­ro­na­in­fek­tio­nen in Nord­ita­li­en ge­hört und noch kei­ne Ah­nung hat­ten, was auf uns zu­kom­men wür­de. Jetzt, da mein Bei­trag fer­tig ist, be­fin­den wir uns mit­ten in ei­ner Kri­se. Wo wer­den wir ste­hen, wenn dies ver­öf­fent­licht wird? Viel­leicht wird das über­haupt nicht pas­sie­ren. Oder viel spä­ter. Al­les ist un­ge­wiss. Und ich ha­be über Freu­de ge­schrie­ben. Ist das mög­lich? Ist es noch angemessen?

Ich er­in­ne­re mich an ei­ne Aus­sa­ge von Ji­un Ro­shi, dass es dar­um geht, mit dei­nem gan­zen We­sen ei­ne pas­sen­de Ant­wort auf das ge­ben zu kön­nen, was im Mo­ment ge­fragt wird. Das ha­be ich in­zwi­schen bes­ser ver­stan­den und er­kannt. Es hat mich zeit­wei­se tief be­rührt und ist jetzt aktuell.

Wenn ich mei­nen Be­richt nun noch an­fan­gen müss­te, wür­de ich es an­ders ma­chen? Viel­leicht ei­nen an­de­ren Blick­win­kel wäh­len, mit an­de­ren Wor­ten, an­de­ren Ak­zen­ten. Aber der In­halt wür­de sich nicht än­dern. Al­so las­se ich es da­bei bewenden.

Das Tra­jekt ist für mich zur rech­ten Zeit ge­kom­men. Da­für bin ich dankbar.

(aus dem Nie­der­län­di­schen über­setzt von Ma­rie Loui­se Linder)

Quel­le: Over het Zen­Le­ven thuis­t­ra­ject, Zen­Le­ven Früh­jahr 2020