In die­ser Ru­brik wird an Hand von fünf Fra­gen je­mand por­trä­tiert, der in Noor­der Po­ort oder in ei­ner der zu­ge­hö­ri­gen Grup­pen me­di­tiert. Die­ses Mal Gea de Vries-van Gunst, 48, wohn­haft in Lee­u­war­den und in in­ten­si­vem Trai­ning im Dhar­ma­huis bei Ans­hi­jn Ten­jo os­ho. Gea me­di­tiert seit 2000 und folgt seit 2014 dem Zenweg.

Das Zenleben von Gea de Vries

Wie kamst du zur Zen-Übung?
Mein Zen-Weg be­gann 2014 mit fol­gen­der Fra­ge an die Zen-Leh­re­rin Ans­hin Ten­jo Schrö­der: „Darf ich zu Ih­nen zum Me­di­tie­ren kom­men, ist das wohl mög­lich? Als Chris­tin fol­ge ich näm­lich ei­ner an­de­ren Me­tho­de, aber oh­ne mei­nen Mann traue ich mich nicht mehr, al­lein zu me­di­tie­ren und in Lee­u­war­den gibt es kei­ne Grup­pe der World Com­mu­ni­ty of Chris­ti­an Me­di­ta­ti­on (WCCM), der ich mich an­schlie­ßen könnte.“

Ich me­di­tier­te be­reits seit 2000 auf die von der WCCM emp­foh­le­ne Wei­se: Je­den Mor­gen und je­den Abend drei­ßig Mi­nu­ten me­di­tie­ren, wo­bei die Auf­merk­sam­keit sich vor­zugs­wei­se auf ein Wort richtet.

2009 hat­te ich ei­nen schwe­ren Un­fall, von dem ich ge­sund­heit­li­che Be­ein­träch­ti­gun­gen zu­rück­be­hal­ten ha­be. Da­mals leb­te ich noch mit mei­nem Mann zu­sam­men, war mit der Ge­ne­sung von mei­nem Un­fall und mit der Her­aus­for­de­rung, trotz al­lem ar­beits­fä­hig zu blei­ben, rund­um be­schäf­tigt. Auf­grund des­sen lag mein Fo­cus nicht auf der Me­di­ta­ti­on, ich ver­such­te, un­ter Rück­fäl­len und Fort­schrit­ten den Ta­ges­rhyth­mus aufrechtzuerhalten.

Nach dem Tod mei­nes Man­nes 2013 ver­spür­te ich schon das Be­dürf­nis, tie­fer in die Me­di­ta­ti­on ein­zu­stei­gen, um ei­nen stär­ker geis­tig ge­präg­ten Weg zu ge­hen. In­ner­halb der christ­li­chen Tra­di­ti­on kam ich da­bei vor al­lem auf die al­ten Wüs­ten­vä­ter. Aber die­se war­nen auch nach­drück­lich da­vor, dass der geis­ti­ge Weg nicht oh­ne Ri­si­ken sei und es da­her klug ist, sich je­man­den zu su­chen, der ei­nen auf dem Weg be­glei­ten kann. We­gen mei­ner ge­sund­heit­li­chen Be­ein­träch­ti­gun­gen bin ich da­bei auf mei­ne nä­he­re Um­ge­bung be­schränkt, und das ist Lee­u­war­den. So kam ich al­so An­fang 2014 zu Ans­hin Ten­jo Schröder.

Die von der WCCM emp­foh­le­ne Me­di­ta­ti­ons­me­tho­de hat mir sehr viel ge­bracht. Mit den In­hal­ten von Zen hat­te ich mich ei­gent­lich nicht be­schäf­tigt. Als ich aber mit dem Atem­zäh­len an­fing, be­merk­te ich, dass ich mit der von Ten­jo ver­mit­tel­ten Me­tho­de viel wei­ter und viel tie­fer hin­ein in die Me­di­ta­ti­on kam. Aus die­ser Er­fah­rung ent­wi­ckel­te sich auch mein In­ter­es­se am Bud­dhis­mus, was für mich ganz neu war. Ich be­gann zu spü­ren, dass der Zen-Bud­dhis­mus im­mer wert­vol­ler für mich wur­de, so sehr, dass mir ein­mal in ei­nem Ge­spräch mit Ten­jo her­aus­rutsch­te: “Ich ha­be mei­ne Zu­flucht in der Sang­ha und im Dhar­ma ge­sucht…“ – Aber ich konn­te da noch nicht zu­ge­ben, dass ich auch im Bud­dha mei­ne Zu­flucht ge­sucht hat­te. Die­se Aus­sa­ge hat viel in Be­we­gung gesetzt.

Wo und bei wem me­di­tierst du?
Ich me­di­tie­re vor­wie­gend bei Ans­hin Ten­jo Schrö­der im Dhar­ma­haus zu Lee­u­war­den. Au­ßer­dem neh­me ich an ver­schie­de­nen Zen-Pro­gram­men in Noor­der Po­ort teil. Da­bei ha­be ich mich vor­sich­tig ge­stei­gert, ha­be zu­nächst bei dai­ly life Sess­hins, dann bei ei­ni­gen go Sess­hins und im letz­ten Jahr erst­ma­lig bei ei­nem dai-sess­hin mitgemacht.

Pie­tro Pe­re­gi­no, De hei­li­ge Be­ne­dic­tus (ca 1495; Va­ti­ca­ans Museum)

Wen (oder was) siehst du als dei­ne Leh­rer an?
In mei­ner christ­li­chen Tra­di­ti­on er­fah­re ich vor al­lem Chris­tus als mei­nen Leh­rer. Auch der Hei­li­ge Be­ne­dic­tus ist für mich ein wich­ti­ger Leh­rer, denn seit 2000 le­be ich nach sei­ner Re­gel auf der Grund­la­ge des Bu­ches „Re­gel des Be­ne­dic­tus: ei­ne Le­bens­re­gel für An­fän­ger“. In­ner­halb der bud­dhis­ti­schen Tra­di­ti­on be­trach­te ich auch den his­to­ri­schen Bud­dha als mei­nen Leh­rer. Er ist für mich ei­ne Art „bud­dhis­ti­scher hei­li­ger Benedictus“.

Als ich er­kann­te, dass ich an­schei­nend zwei re­li­giö­sen Tra­di­tio­nen zu fol­gen ha­be (so je­den­falls fühlt sich das an), hat mir Schwes­ter Eli­sa­beth Din­nisen, Mit­glied des Trap­pis­tin­nen­or­dens der Ab­tei Ko­ningsoord und Zen-Meis­te­rin, mit ei­ner Rei­he von per­sön­li­chen Ge­sprä­chen wei­ter ge­hol­fen auf dem Zen-Weg.

Aber jetzt, auf mei­nem Weg in der Zen-bud­dhis­ti­schen Tra­di­ti­on, er­le­be ich na­tür­lich an ers­ter Stel­le Ten­jo als mei­ne Leh­re­rin. Und wäh­rend der Sess­hins in Noor­der Po­ort ist das Ji­un Ro­shi und manch­mal auch Tetsue Roshi.

Wel­che bud­dhis­ti­sche Vor­stel­lung spricht dich am meis­ten an?
Mich spricht in­ner­halb des Bud­dhis­mus vor al­lem das Ge­hen des mitt­le­ren We­ges an. Al­so nicht nur nach der Weis­heit zu stre­ben, son­dern auch den Sinn für Mit­ge­fühl zu be­wah­ren. Auch der hei­li­ge Be­ne­dic­tus ist in der christ­li­chen Klos­ter­tra­di­ti­on be­kannt da­für, den mitt­le­ren Weg zu ge­hen. Viel­leicht spricht er mich des­we­gen an. Die Vor­stel­lung der Bud­dha-Na­tur spricht mich eben­falls an. Sie ver­weist m.E. auf das, was der Bud­dha das Nicht-Ge­bo­re­ne nann­te, das Nicht-Ge­wor­de­ne, das Nicht-Ge­mach­te, das Nicht-Kon­di­tio­nier­te. Es ist ei­ne Vor­stel­lung, die vor­bei geht an al­len Wor­ten, Bil­dern, Kon­zep­ten und Tra­di­tio­nen, oder mit den Wor­ten Meis­ter Eck­harts: Was sich mit al­len Na­men und mit kei­nem ein­zi­gen Na­men be­zeich­nen lässt.

Wie sieht dein Zen-Le­ben aus?
Nach ei­ner in­ten­si­ven Me­di­ta­ti­ons­er­fah­rung ist mein Le­ben da­bei, sich schnell auf dem Zen-Weg zu ver­tie­fen und ich „schla­ge Wur­zeln“ in der Zen-Bud­dhis­ti­schen Tra­di­ti­on. Ich he­ge den Wunsch, bei Ten­jo als Un­sui ins Trai­ning zu ge­hen. Seit An­fang Ok­to­ber bis ein­schließ­lich De­zem­ber möch­te ich her­aus­fin­den, ob das tat­säch­lich mein Weg ist. Ich wer­de nicht Un­sui in Noor­der Po­ort wer­den, weil das auf­grund mei­ner ge­sund­heit­li­chen Be­ein­träch­ti­gun­gen nicht mög­lich ist. Wenn sich her­aus­stellt, dass Un­sui wer­den in der Tat mein Weg im Zen-Bud­dhis­mus ist, dann wer­de ich die­ses Trai­ning im Dhar­ma­haus zu Lee­u­war­den bei Ten­jo erhalten.

Mein Dank da­für, die­sen Weg ge­hen zu dür­fen, gilt na­tür­lich vor al­lem Ten­jo und Ji­un Ro­shi. Selbst­ver­ständ­lich dan­ke ich auch der WCCM, denn oh­ne sie hät­te ich nie­mals mit dem Me­di­tie­ren be­gon­nen und schließ­lich mei­ner alt­ka­tho­li­schen Ge­mein­de, na­ment­lich Erz­bi­schof Mons­ei­gneur Jo­r­is Ver­cam­men. Denn auch er hat mich er­mu­tigt, den Zen-Weg wei­ter zu ge­hen und mich auf die­se Wei­se tie­fer mit bei­den Re­li­gio­nen zu ver­bin­den, wo­bei er frei­lich nicht ge­sagt ha­ben will, dass bei­de sich so ein­fach mit­ein­an­der ver­knüp­fen las­sen. Im De­zem­ber emp­fan­ge ich von ihm dann auch die Hei­li­ge Fir­mung, denn ich bin Chris­tin. Im Fe­bru­ar le­ge ich die Lai­en­ge­lüb­de ab und bin da­mit auch Bud­dhis­tin. Viel­leicht er­folgt im An­schluss die Or­di­na­ti­on zur Unsui.

Über­set­zung aus dem Nie­der­län­di­schen durch Do­ris Behrens

Quel­le: Het zen­le­ven van Gea de Vries, Zen­Le­ven Herbst 2017