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Interview mit Jiun Roshi

Ji­un Ro­shi spricht mit Myo­ko über Meis­ter und Schü­ler (aus Zen­Le­ven Nr.1 2016)

Was ist ei­gent­lich ein Zenmeister?
Das ist ei­ne gu­te Fra­ge. Es wä­re schlau, die­se Fra­ge mehr­mals zu stel­len, denn ich er­war­te, dass ich bei je­dem Mal ei­ne an­de­re Ant­wort ge­ben werde.

Ein Aspekt ist, dass das Leh­rer­sein Dir lie­gen soll­te. Ich ken­ne Men­schen, die ab­so­lut kein Leh­rer sein woll­ten oder könn­ten. Sie wol­len z.B. kei­ne Leh­rer-Schü­ler-Be­zie­hun­gen pfle­gen, oder die wis­sen, dass sie nicht im Stan­de sind Din­ge an an­de­re wei­ter zu ver­mit­teln. Als Meis­ter ist es zu al­ler­erst mei­ne Auf­ga­be an­de­re zu be­glei­ten auf ih­rem Zen-Weg.

Ich wer­de manch­mal ge­fragt, war­um ich nicht mehr an so­zia­len Ak­ti­vi­tä­ten teil­neh­me. Wenn ich so­zi­al ak­ti­ver wä­re, wür­de das zu Las­ten mei­ner Zen-Ar­beit ge­hen; das lan­ge und in­ten­si­ve Trai­nig, das ich durch­lau­fen ha­be, der enor­me Ein­satz mei­ner Meis­te­rin mich zu trai­nie­ren, wä­ren dann in ge­wis­sem Sin­ne um­sonst gewesen.

Lie­ber wei­se ich an­de­ren die­sen Weg, wo­bei ich hof­fe, dass es vie­le von ih­nen da­zu bringt, dann schon in Ak­ti­on zu kom­men und ein ein­zel­ner viel­leicht die Zen-Meis­ter­schaft er­reicht, so dass die Kon­ti­nui­tät des Zen als Ba­sis für was auch im­mer fort­be­stehen kann.

Sehr wich­tig ist es wei­ter­hin (und das ist wirk­lich kein Ge­mein­platz) dass man be­greift, dass man nichts weiss. Dann kann man sich öff­nen für das­je­ni­ge, das sich in die­sem Mo­ment an­bie­tet. Vor al­lem wäh­rend des Per­sön­li­chen Ge­sprächs (Do­ku­san) pro­bie­re ich ganz deut­lich die Hal­tung des Nichts-Wis­sens an­zu­neh­men und mich aus­schliess­lich zu öff­nen für das­je­ni­ge, das mir dann be­geg­net und hin­zu­schau­en, was da pas­siert. Das be­deu­tet nicht, dass ich al­les of­fen auf den Tisch le­ge oder das von an­de­ren er­war­te, es geht um das wirk­li­che zu­hö­ren, se­hen, rie­chen, um die Öff­nung all mei­ner Sin­nes­or­ga­ne für das­je­ni­ge, das in die­sem Mo­ment an­ge­bo­ten wird. Und da­nach muss ich dies auch wie­der los las­sen, darf dar­in nicht zu lan­ge ver­wei­len. Wä­re ich zum Bei­spiel in die­sem Mo­ment nicht ganz und gar of­fen, dann wür­de ich mich jetzt viel­leicht noch mit der vor­he­ri­gen Fra­ge be­schäf­ti­gen. Man sieht das sehr oft in Be­spre­chun­gen: je­mand will un­be­dingt noch sei­nen Stand­punkt los wer­den wäh­rend die Be­spre­chung be­reits viel wei­ter ist und die Be­mer­kung in­halt­lich schon lan­ge nicht mehr passt. In so ei­nem Mo­ment bist du nicht mehr wirk­lich of­fen, ver­passt was an­de­re sa­gen, weil dir die gan­ze Zeit im Kopf her­um geht, „das muss ich aber jetzt wirk­lich noch los werden“.
Mei­ne Be­glei­tung be­steht ei­gent­lich aus nichts an­de­rem als of­fen sein, hin­schau­en und er­fah­ren, was ge­schieht. Von da aus ent­steht von selbst Kom­mu­ni­ka­ti­on. Das funk­tio­niert na­tür­lich nur, wenn ich selbst ei­ni­ger­ma­ßen wach bin. Mit ei­nem be­ne­bel­ten Kopf wä­re das nicht möglich.

Hat dich dei­ne Meis­te­rin Prab­ha­sa Dhar­ma Zen­ji  die­se Of­fen­heit ge­lehrt? Wie?
Ich wür­de nicht sa­gen, dass sie mich dies ge­lehrt hat. Eher das sie mit ge­hol­fen hat, mir be­stimm­ter Din­ge be­wusst zu wer­den in mir selbst.
Das war ih­re Rol­le und so se­he ich auch die mei­ne: ein Leh­rer weist auf Din­ge hin, wo­durch ein an­de­rer selbst Ent­de­ckun­gen ma­chen kann. Ich kann das an ei­nem Bei­spiel er­klä­ren: Als ich noch nicht lan­ge bei ihr üb­te, sag­te sie mir, dass ich zu gries­grä­mig wä­re, aber an­fangs wies ich dies von mir, oder ich war so ent­täuscht von mir dass ich noch schlech­te­re Lau­ne be­kam. So funk­tio­nier­te es al­so nicht. Ei­gent­lich funk­tio­niert das nie: durch di­rek­te Kri­tik be­kommst du nicht die Mo­ti­va­ti­on dich zu ver­än­dern. Doch in ei­nem be­stimm­ten Mo­ment be­griff ich, dass ich sie, wenn ich gries­grä­mig oder bö­se war, da­mit be­las­te­te (auch wenn man Meis­ter ist, kos­tet dies ex­tra En­er­gie) und dass ich durch mei­ne ei­ge­ne Wut in ei­nem Ge­fäng­nis fest sass.
Das woll­te ich nicht und ich be­gann dar­an zu ar­bei­ten. Me­di­tie­ren hilft da­bei, denn in dem Mo­ment da du auf dem Kis­sen sitzt kannst du ein­fach nichts tun, kommst du zur Ru­he. Ich wur­de zwangs­läu­fig mit der gan­zen Ge­schich­te in mei­nem Kopf kon­fron­tiert die zur Wut da­zu­ge­hör­te und ich merk­te, dass dies ei­gent­lich nir­gend wo hin führt. So wirkt Me­di­ta­ti­on. Schritt für Schritt ver­schwin­den ei­ni­ge Schich­ten. Du bleibst dann noch wü­tend, aber du äu­ßerst die Wut viel we­ni­ger. Die En­er­gie, die dar­in trans­por­tiert wird nimmt ab, du wirst ihr ge­gen­über im­mer aufmerksamer.
Du wirst dir im­mer be­wuss­ter dar­über, dass du nichts tun willst, was je­mand an­de­rem scha­det. So kannst du dich im­mer bes­ser selbst zur Ord­nung ru­fen und in ei­nen an­de­ren Geis­tes­zu­stand ver­set­zen. Auf die Dau­er er­mög­licht dir das ganz of­fen zu sein. In den Kon­tak­ten, die du machst spie­len un­be­wuss­te Emo­tio­nen, Ver­lan­gen und An­haf­tun­gen kei­ne Rol­le mehr.

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Ji­un ro­shi mit Hünd­chen Paco

Was ist das wich­tigs­te, das du Men­schen leh­ren möchtest?
Was ich Men­schen vor al­lem leh­ren will und was von dem, was ich selbst ge­lernt ha­be das wich­tigs­te ist, Ver­trau­en zu ha­ben. Ver­trau­en, dass du, wie die Um­stän­de auch sein mö­gen, in der La­ge bist, mit die­sen zu le­ben. Ob die Si­tua­ti­on ide­al ist oder nicht: wenn du selbst wach und an­we­send bist, dann wirst du sie le­ben kön­nen. Wach sein be­deu­tet, dass du das was da ist wahr­neh­men und er­fah­ren kannst, auf ei­ne Wei­se, die nicht be­ein­flusst wird von Emo­tio­nen oder Er­war­tun­gen. Ich nen­ne das im­mer ei­nen di­rek­ten Kon­takt: ich stel­le nichts da­zwi­schen, zu­min­dest so we­nig wie mög­lich. Und stel­le ich doch et­was da­zwi­schen, dann hof­fe ich, dass ich mir dar­über be­wusst bin.
Stell dir zum Bei­spiel vor: ich ha­be ge­ra­de schlech­te Lau­ne und ich muss als Zen-Meis­ter funk­tio­nie­ren, dann hof­fe ich, dass die schlech­te Lau­ne mich nicht be­ein­flusst in dem was ich sa­ge oder tue.

Wie lehrst du dies dann hier in Noor­der Po­ort, zum Bei­spiel in sess­hins [1]?
Durch die Struk­tur und durch das Sit­zen in der Me­di­ta­ti­on. Ei­ni­ge Din­ge keh­ren im Ta­ges­ver­lauf stets zu­rück. Es wird im­mer wie­der Tee ge­trun­ken, im­mer wie­der me­di­tiert, im­mer wie­der ge­lau­fen, im­mer wie­der ver­beugt. Letzt­end­lich er­zeugt das ei­ne si­che­re Ru­he. Nicht so­fort, aber nach ei­ner Wei­le (am An­fang rin­gen vie­le Men­schen ge­ra­de mit die­ser Struk­tur). Du weisst ir­gend­wann was kom­men wird, al­so brauchst du dich da­mit nicht zu be­schäf­ti­gen. Gleich­zei­tig merkst du, da die Din­ge sich wie­der­ho­len, dass je­de Ver­beu­gung doch je­des­mal an­ders ist. Dann denkst du: “He, das ist in­ter­es­sant. Tat­säch­lich tue ich je­des­mal das glei­che, aber ich mer­ke, dass ich es doch je­des Mal auf ei­ne an­de­re Wei­se tue.” Du be­kommst al­so ei­gent­lich die Chan­ce dein Selbst­bild zu­recht zu rü­cken. Und das ist mei­ner Mei­nung nach der Clou: dass du das Bild wel­ches du von dir hast auf of­fe­ne Wei­se be­trach­test. Mit der Zeit ent­wi­ckelst du da ein Sin­nes­or­gan für. Wäh­rend der Me­di­ta­ti­on wirst du se­hen, ob be­stimm­te Ge­dan­ken und Emo­tio­nen sich spon­tan äu­ßern, oder ob du ein be­stimm­tes Bild von Dir füt­terst und die­ses im­mer grös­ser machst. So­bald du die­sen Un­ter­schied ein­mal siehst, be­kommst du die Mög­lich­keit dich selbst zu se­hen, so wie die­ses Selbst sich zeigt, nicht so wie du es selbst gern hät­test, son­dern so wie es sich wirk­lich zeigt. Das er­mög­licht es dir of­fen zu sein und dar­aus ent­steht das Ver­trau­en: du kannst ein­fach das le­ben, was sich dir an­bie­tet oh­ne Angst oder Er­war­tun­gen zu haben.

Und wenn du nur an ei­ner wö­chent­li­chen Grup­pe teil­nimmst? Ist dies ei­ne ganz an­de­re Art der Zenübung?
Ja, das den­ke ich wohl, auch wenn ich da­mit vor­sich­tig sein muss. Schaue ich zu un­se­rem Mon­tag­abend­kurs, dann gibt es da Men­schen, die sehr gründ­lich sind, die in ih­rem täg­li­chen Le­ben sehr ernst­haft üben mit Auf­ga­ben, die ich ih­nen mit­ge­be und die die sel­be Art Ent­de­ckun­gen ma­chen, wie in sess­hins. Aber das ist sehr un­ter­schied­lich. Bei ei­ni­gen Men­schen, die jah­re­lang in so ei­ner Grup­pe sit­zen fin­de ich es sehr scha­de, dass sie nie­mals et­was in­ten­si­ver me­di­tie­ren. Da­bei bleibt es oft hän­gen auf dem Ni­veau “ich bin mir be­wusst dar­über, dass ich ge­ra­de Tee trin­ke”, oh­ne dass dies zu Ein­sich­ten führt über das, was sich dar­un­ter ver­birgt, dar­über wie be­stimm­te Emo­tio­nen sich dar­in aus­drü­cken kön­nen zum Bei­spiel. Das hat auch da­mit zu tun, ob man Zen­me­di­ta­ti­on nur aus­übt, um sich zu ent­span­nen, um sich gut zu füh­len, oder ob man es auch aus­hält, wenn es manch­mal un­an­ge­nehm ist.

Kann je­der in­ten­siv Zen üben?
Nein, das den­ke ich nicht. Du musst ei­ne ge­wis­se Ba­sis­sta­bi­li­tät ha­ben, um die Kon­fron­ta­ti­on mit dir selbst aus­zu­hal­ten. Und es muss ei­ne sichere/gewisse Ru­he in dir sein. Wenn die nicht da ist (das kann so­gar phy­sio­lo­gi­sche Ur­sa­chen ha­ben), dann merkst du, dass dein Geist so un­ru­hig ist und in al­le mög­li­chen Rich­tun­gen wan­dert, dass du es nicht aus­hältst was im za­zen al­les auf­taucht, was du al­les siehst.
Ein si­che­rer Weg ist dar­um, dass man zu­erst mit ei­nem Wo­chen­en­de be­ginnt, dann ein fünf­tä­gi­ges retre­at mit­macht und dann erst ein sie­ben­tä­gi­ges. Mel­det je­mand aus ei­ner der ört­li­chen Grup­pen sich so­fort an für ein sie­ben­tä­gi­ges retre­at, dann ru­fen wir ihn an und fra­gen ge­ge­be­nen­falls auch beim Lei­ter der be­tref­fen­den Grup­pe nach, mit was für je­mand wir es zu tun ha­ben. Auf Grund die­ser In­for­ma­ti­on be­schlies­sen wir dann ob der­je­ni­ge doch zu­ge­las­sen wird. Kommt je­mand zum ers­ten Mal zu ei­nem dai-sesshin[2], dann sor­ge ich da­für, dass ich re­gel­mäs­sig Kon­takt ha­be zu die­ser Per­son. Ich möch­te so je­man­den re­gel­mäs­sig se­hen im Per­sön­li­chen Ge­spräch und schaue dann be­son­ders gut hin: Wie sieht je­mand aus? Geht al­les gut?

Wann ist je­mand dein Schüler?
Das ist schwie­rig zu sa­gen. Es gibt ei­nen gros­sen Teil in mir, der mir sagt: ich ha­be kei­ne Schü­ler. Ge­nau­so­we­nig, wie man sa­gen kann: ich ha­be ei­ne Frau oder ei­nen Mann…
Wenn man in ei­nem sess­hin ge­mein­sam übt, dann gibt es in die­sem Mo­ment ein Leh­rer-Schü­ler-Ver­hält­nis. Aber, wenn du dann am En­de der Wo­che wie­der nach Hau­se gehst bist du nicht mehr mein Schü­ler. Setzt du dich dann auch noch al­lem mög­li­chen aus, wo­durch du nicht mehr klar bist und du ge­trie­ben wirst von dei­nen Emo­tio­nen, oder du tust dir selbst oder an­de­ren weh, dann ver­hältst du dich nicht mehr wie ein Schü­ler von mir. Oder um­ge­kehrt: wenn ich bei mei­ner Fa­mi­lie zum Fei­ern bin und ich las­se in dem Mo­ment nicht den Zen­meis­ter raus­hän­gen, dann bin ich in die­sem Mo­ment echt nicht der Leh­rer von irgendjemandem.

Schau, der Zen-Weg be­trifft nur ei­nen Teil des Le­bens. Men­schen blei­ben ver­ant­wort­lich für ihr ei­ge­nes Le­ben, ich fin­de, dass ich ih­nen auch hel­fen muss das zu begreifen.
Du kannst ge­mein­sam lau­fen aber letzt­end­lich läufst du selbst, setzt du die Schrit­te. Das fin­de ich sehr wichtig.

Es gibt al­so ei­ni­ge Fall­gru­ben im Leh­rer-Schü­ler-Ver­hält­nis; da­mit musst du sehr vor­sich­tig um­ge­hen. Du kannst als Leh­rer viel zu do­mi­nant sein, viel zu viel len­ken wol­len oder zu viel in je­man­des Le­ben ein­grei­fen wol­len. Du kannst als Leh­rer sehr au­to­ri­tär sein, sehr streng, so “es muss so oder so”. Das ist ei­ne Art, aber ich den­ke nicht, dass dies passt zur Art und Wei­se wie Men­schen in un­se­rer heu­ti­gen Zeit und Kul­tur aufwachsen.

Ein Leh­rer-Schü­ler-Ver­hält­nis in ei­ner sehr alt­mo­di­schen Form, sehr strikt au­to­ri­tär, so von “du musst dies und du musst je­nes”, passt glau­be ich nicht zum durch­schnitt­li­chen Geist von je­man­dem, der in un­se­rer Kul­tur aufwächst.
Das funk­tio­niert nicht und ist viel­leicht so­gar ge­fähr­lich. Trotz­dem, dass ich selbst so trai­niert wur­de und ich im­mer noch den­ke, dass Ro­shi [Prab­ha­sa Dhar­ma Zen­ji] für mich die rich­ti­ge Meis­te­rin war, mit ei­ner gu­ten Me­tho­de und dass ich ei­ne ge­eig­ne­te Schü­le­rin für sie war. Ich war es von zu Hau­se ein­fach ge­wöhnt so ge­lenkt zu wer­den, des­halb hat es für mich sehr gut ge­passt. Ich selbst kann aber nicht auf die­se Wei­se mit Schü­lern umgehen.

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Prab­ha­sa Dhar­ma zen­ji und Ji­un ro­shi im Jahr 1989

Wel­che Rol­le spielt Prab­ha­sa Dhar­ma Zen­ji jetzt noch in dei­nem Leben?
Doch ein gan­zes Stück we­ni­ger, als es frü­her der Fall war. Sie spielt in mei­nem Le­ben nun bei­na­he die­sel­be Rol­le wie Shak­ya­mu­ni Bud­dha es tut. Sie ist aus­ser­or­dent­lich wich­tig, aber sie ist nicht mehr, so wie das jah­re­lang der Fall war, mein Maßstab.
Wenn ich mich in be­stimm­ten Si­tua­tio­nen frag­te, was ich tun muss­te, dann dach­te ich: Wie hät­te sie es ge­tan? Das den­ke ich nicht mehr. Ich ha­be mich in­zwi­schen zu viel ver­än­dert. Ich will auch nicht mehr in ih­ren Fuß­spu­ren lau­fen, son­dern mir selbst die Chan­ce ge­ben mei­nen ei­ge­nen Weg zu ge­hen, so wie sie das üb­ri­gens auch ge­tan hat.

Sie hat dir die Na­men Ji­un Ho­gen ge­ge­ben, mit der Be­deu­tung Wol­ke von Mit­ge­fühl – Ur­sprüng­li­ches Dharma[3]. Was be­deu­ten die­se Na­men für dich?
Ich bin sehr froh mit die­sen Na­men, weil sie mir deut­lich zei­gen, wie mein Weg sich ent­wi­ckelt. Durch den Na­men Ho­gen, Ur­sprüng­li­ches Dhar­ma, füh­le ich die Frei­heit von dem ab­zu­wei­chen was sie ge­tan hat. Der Na­me Ji­un, Wol­ke von Mit­ge­fühl passt, weil ich mer­ke dass ich in der Art Men­schen zu be­glei­ten im­mer mehr aus Mit­ge­fühl und An­teil­nah­me hand­le statt mit Dis­zi­plin und Stren­ge. Ich wer­de im­mer mehr durch­drun­gen von der Über­zeu­gung, das was ich ge­ne­ra­li­siert das mi­li­ta­ris­ti­sche Zen oder Ja­pa­ni­sches Zen nen­ne, un­glaub­lich kul­tur­ge­bun­den war und viel­leicht im­mer noch ist. Als ich zwei oder drei Jah­re Meis­ter war, als Ro­shi al­so schon ge­stor­ben war, hat­te ich ei­ne Art Kri­se. Ich merk­te im­mer mehr, dass ich mich nicht gut fühl­te beim Stil der Stren­ge und Dis­zi­plin in dem ich selbst trai­niert wor­den war. Ich frag­te mich, ob man Dis­zi­plin nicht an­ders ver­mit­teln kann als mit der har­ten Hand, et­was frei­er, freundlicher.
Ich weiss nicht ein­mal ob das grund­sätz­lich bes­ser zu mir passt, aber ich woll­te es ein­fach lie­ber. Wenn es ei­ne Bot­schaft gibt, die es Wert ist der Welt ver­mit­telt zu wer­den, dann ist es die, of­fen und freund­lich zu­ein­an­der zu sein. Nicht zu weich oder zu lieb, ein­fach nor­mal, of­fen mit­ein­an­der zu kommunizieren.

Jeder Meis­ter ist an­ders. Du sprichst in dem Zu­sam­men­hang manch­mal über den Dhar­ma­cha­rak­ter von je­man­dem. Wor­in siehst du dei­nen Dharmacharakter?
Wo wir doch über Na­men re­den: Mein ers­ter Na­me war Dhar­ma Uda­ka, Was­ser der Wahr­heit. Die­ses Bild fin­de ich im­mer noch sehr schön: dass du, wenn du strömst wie Was­ser, du manch­mal sehr hart ge­gen et­was an­stösst, wie Was­ser ge­gen ei­nen Stein, aber letzt­end­lich strömt es doch im­mer wie­der wei­ter. Ich weiss nicht, ob ich sa­gen kann, dass dies nun mein Cha­rak­ter ist. Aber wenn ein Na­me, so wie man sagt, auch ei­nen Auf­trag ent­hält, den du im Le­ben hast, dann ist dies ein Auf­trag, wo­mit ich mich noch im­mer sehr ver­bun­den füh­le. Es fasst zu­sam­men, wie ich le­ben will. Ob das auch mein Cha­rak­ter ist: das hof­fe ich.

Über die Fra­ge, wo­mit die­ses In­ter­view be­gann, näm­lich was nun ei­gent­lich ein Zen­meis­ter ist, hat Ji­un Ro­shi wäh­rend des dai-sess­hin im April die­sen Jah­res ei­ne schö­ne An­spra­che ge­hal­ten. Die­se er­scheint in der nächs­ten Num­mer von ZenLeben!

[1] Sess­hin: Zen­retre­at mit ei­ner Dau­er von meist fünf oder sie­ben Tagen.
[2] Dai Sess­hin: Sie­ben­tä­gi­ges Retreat
[3] Das Dhar­ma ist die Leh­re des Bud­dha, die zwei­te Be­deu­tung kann mit dem Be­griff Wahr­heit über­setzt werden

Quel­le: In­ter­view, Ji­un ro­shi spreekt met Myo­ko over meesters en leer­lin­gen, Zen­Le­ven Nr.1 2016
Über­set­zung aus dem Nie­der­län­di­schen von Sig­run Lobst und Pe­ter Dhar­ma Moun­tain Trapet